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Jede Seite des Raumes nimmt eine andere Stimmung und Perspektive auf. Hier bietet das Quadrat des Raumes eine besondere Möglichkeit, denn quadratisch bedeutet einen klaren Mittelpunkt zu haben. Um ihn zu betonen stehen die beiden Hocker in der Mitte. Man kann sich, wie in einem Museum, darauf setzen und sich eine Perspektive aussuchen.

1. Perspektive: Das Foto

Hier hängt das Foto einer Holzskulptur, geschaffen im 15. Jahrhundert, aus der Dreifaltigkeitskirche in Görlitz: "Christus in der Rast". Der Künstler ist unbekannt. Wir sehen Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung, mit der Dornenkrone und blutigen Stellen. Er macht Rast auf dem Weg mit Schmerzen, geschafft von den Verhören und von den Menschen. Er scheint zu sagen: "Ich bin müde, ich kann nicht mehr. Meine Last ist mir zu schwer." Er befindet sich auf Augenhöhe mit dem Betrachter. Deshalb hängt das Bild bewusst so tief. Jesus in seinem Tiefpunkt, so gar nicht erhaben und über den Situationen stehend, ist mit dem Betrachter auf Augenhöhe. Müdigkeit, Schmerzen und Krankheit nimmt man ihm sofort ab. Hier ist er nicht weit weg, unerreichbar, abgehoben, sondern ganz nah, verletzlich und verwundbar.

Die ungewöhnliche Perspektive lädt ein, sich verstanden und angenommen zu fühlen: "Ja, so ist das mit Krankheit und Schmerzen." Blicken wir nun auf die gegenüberliegende Wand. Dabei sehen wir über das Band an der Decke. Dieses symbolisiert das Wiederkehrende der unterschiedlichen Lebenssituationen. Eine Verbindung der Müdigkeit auf der einen Seite und dem nächsten Impuls auf der anderen Seite. Die eine Seite gibt es nicht ohne die Andere. Das kann, von der Seite der Mühe aus gesehen, sehr tröstlich sein.

2. Perspektive: Der Text

Die Texttafel hängt etwas höher als das Foto und ist somit nicht mehr ganz so schwer. Der Blick wird schon vom Boden leicht nach oben gezogen. Der Text von Margot Bickel will die Phantasie anregen…. Erinnerungen werden aufgerufen und man ist eingeladen, ihnen nachzusinnen. Die Sinne werden aktiviert. Die grüne Schrift soll an das frische Grün der Blätter im Frühling erinnern oder an grüne Wiesen. Auch der Stoff vorne auf dem altarähnlichen Sideboard nimmt dies noch einmal auf. Man kann sich den Baum draußen vorstellen, den Wind auf der Haut spüren, Sonne im Gesicht fühlen... Unter dem Lebensbaum des Textes sitzend kann dieses und jenes Mal so am inneren Auge vorbeiziehen. Von vorgestern nach übermorgen...

3. Perspektive: Der Blick aus dem Fenster

Von links nach rechts haben wir eine Bewegung nach oben und der Blick wird nun über das Kreuz in den Himmel gehoben. Man sieht zwar noch das gegenüberliegende Haus, aber der Innenhof und der Himmel sind da. In all der Enge kann Weite gefühlt werden. Das Kreuz aus Birke ist schlicht und einfach. Ein Stück Natur von draußen ist in den Raum geholt. Hier in der Landschaft stehen viele Birken. Gleichzeitig ist das Kreuz eine innere Verbindung zwischen dem müden Jesus, der zum Kreuz geht und dem "Lebensbaum" unter dem man sitzt. Die Naturmaterialien durchbrechen die glatte Front des Tisches.

Die Steine sind das zweite Naturmaterial im Raum und doppeldeutig. Sie stehen für den Ort, (einem Hügel außerhalb von Jerusalem, den die Römer als Hinrichtungsstätte benutzt hatten) an dem das Kreuz gestanden hat und gleichzeitig für die Gelenke im Körper, die schmerzen und die einem, im übertragenen Sinn, zum Kreuz werden. Rechts unter dem Kreuz kann etwas in ein Buch geschrieben werden. Ein Gedanke, ein Gebet, etwas, was hier im Raum gelassen werden kann und soll, um Erleichterung zu finden. Eine Bibel lädt ein darin zu blättern. Außerdem können die große Kerze als Christuslicht oder kleine Kerzen für Anliegen angezündet werden.

4. Perspektive: Die Rückwand

Hier gibt es nichts außer der Lampe. Es ist die Wand der Ruhe. Stühle stehen dort. Ein Platz in einer Ecke unterstützt den Rückzug, sich zurück lehnen, ausruhen und die Füße hochlegen können. Wenn man dabei auf eine der beiden Seiten schaut ist man in dem Wechselspiel zwischen Müdigkeit und Trost gehalten.

5. Perspektive: Der Stuhl neben dem „Rastenden Christus“

Von diesem Platz aus hat man den weitesten Blick diagonal hinaus in die unverbaute Weite. Der Müdigkeit so nah kann die Sehnsucht nach draußen hier im Blick leben und Ruhe finden.

Farben

Die Farben sind harmonisch aufeinander abgestimmt, um Ruhe in den Raum zu bringen ohne langweilig zu sein. Der Fußboden und alles was unten ist, ist in gleichen Tönen gehalten, um Geborgenheit und Getragensein zu vermitteln. Der Bogen hat etwas Beschirmendes und Behütendes. Das Maigrün der Schrift und des Tuches sollen bewusst die Harmonie der Farben brechen. Denn wer hier im Krankenhaus ist, hat erlebt, dass die Harmonie des eigenen Lebens gebrochen wurde. Gleichzeitig ist die Farbe des Bruches die Farbe der Freude und des Neubeginns. Dies kann nachdenklich stimmen.

Friederike Heinze
Gestalt- und Leibtherapeutin, Hildesheim

Sie hat diesen "Raum der Stille" in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Klinik gestaltet