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Gedanken zu Weihnachten
Weihnachten ist für viele ein glänzendes Fest: Geschenke, leckeres Essen, ein schickes Outfit. Doch Leben und Arbeiten, Kranksein und Not gehen weiter. Damit sind wir näher an der eigentlichen Weihnachtsgeschichte, als wir manchmal ahnen.
Maria, Josef, das Jesuskind, die Krippe, Ochse, Esel, Hirten, die Weisen aus dem Morgenland und, nicht zu vergessen, die Engel. All das gehört zur Weihnachtsgeschichte dazu und klingt nach heiler Welt. Für die Beteiligten stellte sich die Situation damals ganz anders dar. Die hochschwangere Maria musste eine beschwerliche siebentägige Reise zu Fuß und auf dem Esel zurücklegen. Unfreiwillig, weil ein Kaiser wissen wollte, wieviel Menschen auf seinem Territorium lebten. An ihrer Seite Josef, der gerade damit klar kommen musste, dass seine junge Verlobte auf mysteriöse Weise ein Kind empfangen hatte. Kurz nach der Geburt wird er aufgefordert, zu flüchten, um sich, die Mutter und das Kind in Sicherheit zu bringen. Auch die Hirten lebten in schwierigen Verhältnissen. Sie waren auf der letzten Stufe der gesellschaftlichen Rangliste angesiedelt, und keiner wollte wirklich etwas mit diesen stickenden Männern zu tun haben. Und schließlich mussten die Tiere im Stall ihren Futtertrog hergeben, damit dieses nackige, nervende Baby einen Platz zum Schlafen hatte.
Die Faszination der Weihnachtsgeschichte ergreift mich immer wieder, wenn dann der Engelschor für die Menschen am Rande der Gesellschaft, die genannten Hirten, singt. Wenn gebildete, reiche Männer hinter einem Stern herreisen und Geschenke, die einem König würdig sind, vor einem Baby im Stall niederlegen. Paradoxe Bilder, die mein Herz höher schlagen lassen. Denn Jesus Christus, Gottes Sohn kam als Baby auf die Welt, um in unsere Welt Liebe und Wärme zu bringen. Besonders an den Stellen, wo sie am meisten fehlen. Er kam als Baby in diese Welt, um uns zu zeigen, dass ihm keine menschliche Regung fremd ist. Er kam in diese Welt, um uns zu zeigen, wie Gott wirklich ist, und wie wichtig wir ihm in Wirklichkeit sind.
Auch in diesem Jahr erleben wir ein paradoxes Weihnachtsfest. Wir sehnen uns nach Ruhe und einer entspannten Pause, nach fröhlichen Begegnungen mit unseren Lieben, nach einem Stück heiler Welt oder wenigstens etwas Glanz und Licht. Die Realität sieht anders aus: Die vierte Welle der Corona-Pandemie führt zu erheblicher Mehrarbeit und Engpässen bei den Mitarbeitenden in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Den Kontaktbeschränkungen fallen Weihnachtsfeiern und Familientreffen erneut zum Opfer. Und unter allem liegt ein ständiger Strom der Angst, Verunsicherung, Frustration und Ohnmacht.
Trotz allem fällt Weihnachten auch in diesem Jahr nicht aus. Denn das tollste Weihnachtsgeschenk wird uns auch dieses Jahr wieder gemacht: Als eine Schulklasse bei einer Ausstellung der Weihnachtsgeschichte gefragt wurden, warum es denn an Weihnachten für uns alle Geschenke gäbe, war die Antwort verblüffend einfach: „Wir bekommen an Weihnachten Geschenke, damit wir nicht vergessen, dass Jesus das Geschenk von Gott an uns ist.“ Das Geschenk von Weihnachten ist uns also so oder so gewiss: Das Kind in der Krippe.
Frohe und gesegnete Weihnachten!
Susan Jose, Seelsorgerin im Albertinenhaus